Heim Kunst Wie sich das BSW in den Bundestag klagen will

Wie sich das BSW in den Bundestag klagen will

von Matthias Schneider

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13.400 Stimmen fehlen der Wagenknecht-Partei, um in den Bundestag zu kommen. Tatsächlich gab es Fehler in den Wahllokalen. Aber reicht das? Und was würde sich ändern?

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Wenn in Berlin der Bundeswahlausschuss zusammentritt, um das endgültige Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar festzustellen, dann geht es für das Bündnis Sahra Wagenknecht um sehr viel. Mit 4,972 Prozent hat die neue Partei die Fünfprozenthürde und damit den Einzug ins Parlament nur haarscharf verpasst. Bisher war die entscheidende Sitzung für diesen Freitag geplant.

Doch beim BSW haben sie die Hoffnung weiterhin nicht ganz aufgegeben, doch noch die Fünfprozenthürde zu schaffen. Nur 13.400 Stimmen fehlten der Partei zur Bildung einer Fraktion, die sie als neue politische Kraft etabliert hätte. Und, 13.400 Stimmen, „das sind noch nicht mal 45 pro Wahlkreis“, rechnete die Partei am Dienstag in einer Telegram-Nachricht an ihre Anhänger vor: „Zahlreiche Unregelmäßigkeiten deuten darauf hin, dass das BSW die Fünfprozenthürde doch geknackt haben könnte.“

Deshalb hat sich die Partei nun zu einem ungewöhnlichen Weg entschlossen. Sie hat vor dem Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag auf eine Verschiebung der Verkündung des amtlichen Endergebnisses gestellt. Erst sollten alle Stimmen für die Bundestagswahl neu ausgezählt werden, fordert das BSW.

Was steckt hinter dem Vorgehen? Und hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Mit dem „Bündnis Deutschland“ verwechselt

Seit der Bundestagswahl hat das BSW mit einigem Aufwand versucht, mögliche Fehler in Wahllokalen aufzudecken. Die Partei hat auch ihre Wählerinnen und Wähler um Mithilfe gebeten. Sie sollen melden, wenn ihnen Unregelmäßigkeiten in ihrem Wahllokal aufgefallen sind. Schon jetzt habe man „erhebliche Fehlerquellen“ ausmachen können, sagt Fabio De Masi, Europaabgeordneter des BSW und so etwas wie der inoffizielle Beauftragte der Partei auf der Suche nach fehlenden Stimmen, auf Anfrage von ZEIT ONLINE.

De Masi hat in den vergangenen Wochen Tabellen erstellt, eigene Schätzungen vorgenommen. Eine Fehlerquelle, auf die das BSW immer wieder stieß, beruht auf der Ähnlichkeit des Namens Bündnis Sahra Wagenknecht zu einer rechtskonservativen Kleinpartei mit dem Namen Bündnis Deutschland. Tatsächlich sprechen auch manche Landeswahlleiter von Verwechslungen zwischen BSW und Bündnis Deutschland, die in einzelnen Wahllokalen passiert sind.

„Alleine durch Verrutschen von Wahlhelfern in der Zeile und Eintragung unseres Ergebnisses beim Bündnis Deutschland oder anderen Kleinparteien sind nach unseren Berechnungen vermutlich BSW-Stimmen im mittleren vierstelligen Bereich falsch zugeordnet worden“, gibt sich De Masi überzeugt. „Sicher sind bereits mehrere tausend Stimmen.“

1.295 BSW-Stimmen in NRW wurden nachkorrigiert

Die ersten amtlichen Endergebnisse, die in den Bundesländern am Anfang dieser Woche verkündet wurden, bestätigen das BSW in seinem Verdacht: NRW korrigierte das BSW-Ergebnis am Dienstag um 1.295 Zweitstimmen nach oben. „Das sind 0,012 Prozent der gültigen Zweitstimmen in NRW. Sie ergaben sich meist aus Zuordnungsfehlern zu der ähnlich klingenden Partei Bündnis Deutschland“, teilte eine Sprecherin mit. Ähnliches in Hessen: Dort fand der Landeswahlausschuss 226 Zweitstimmen mehr für das BSW, in Niedersachsen waren es 230 zusätzliche Stimmen. In Brandenburg wurden 218 zusätzliche BSW-Stimmen dokumentiert, in Berlin ergaben Nachzählungen 150 Stimmen mehr für das BSW als noch beim vorläufigen Endergebnis angegeben – und 94 Stimmen weniger für das Bündnis Deutschland sowie 43 Stimmen weniger für das BüSo, eine weitere Partei mit Verwechslungspotenzial.

Allerdings summieren sich die bisherigen Korrekturen nicht auf die „mehrere tausend“ Stimmen, von denen De Masi ausgeht. Sie fallen deutlich kleiner aus. Ob das BSW also wirklich noch 13.400 Stimmen findet? Da ist man auch in der Partei unsicher. Möglich sei es aber schon, allerdings nur dann, wenn bundesweit in allen Wahllokalen neu ausgezählt würde – und nicht nur stichprobenhaft wie bisher.

Das BSW beklagt nämlich, auf der Suche nach verloren gegangenen Stimmen auf große, fast unüberwindbare Hindernisse zu stoßen. So habe die Partei nur in solchen Wahllokalen eine Neuauszählung beantragen können, in denen ihnen eine „Anomalie“ aufgefallen sei, sagt De Masi. Zum Beispiel, wenn dort angeblich null Stimmen für das BSW abgegeben wurden, aber dafür überdurchschnittlich viele für das Bündnis Deutschland. „Überprüfungen haben zudem gültige BSW-Stimmen unter den ungültigen Stimmen ergeben“, sagt De Masi.  Zum Beispiel wenn eine Wählerin zunächst das Bündnis Deutschland angekreuzt habe, das dann durchgestrichen und dann BSW gewählt habe. Das sei als „ungültige Stimme“ gewertet worden, obwohl der Wählerwille klar erkennbar gewesen sei, beklagen sie beim BSW.

Die Bundeswahlleiterin ist nicht zuständig, manche Ergebnisse noch nicht veröffentlicht

Weil Deutschland als föderaler Staat organisiert ist, kann die Partei allerdings nicht einfach die Bundeswahlleiterin bitten, eine bundesweite Neuauszählung zu beantragen. Dafür besitzt sie nämlich keine Zuständigkeit. Die Bundeswahlleiterin teilt auf Anfrage von ZEIT ONLINE außerdem mit: Wer in einem Wahlkreis eine Nachzählung erreichen wolle, müsse „substanziell“ begründen, dass er oder sie einen Wahlfehler befürchte: „Bloße Hinweise auf ein knappes Wahlresultat“ oder eine „vermeintlich hohe Anzahl von ungültigen Stimmen“ reichten nicht, „um pauschal eine Neuauszählung beziehungsweise Nachzählung anzuordnen und durchzuführen“.Das BSW ist also auf eigene Recherchen und die Dokumentation der Ergebnisse in den einzelnen Wahlbezirken angewiesen. Allerdings seien die oft noch gar nicht veröffentlicht worden, sagt De Masi im Gespräch mit ZEIT ONLINE; die Partei habe also keine Möglichkeit zu überprüfen, ob ihr etwas komisch vorkomme. Laut der Bundeswahlleiterin sollen die vollständigen Daten tatsächlich erst im Mai vorliegen.

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